Dieselskandal - so ging die Sammelklage gegen VW aus

Dieselskandal - so ging die Sammelklage gegen VW aus


Der Dieselskandal beschäftigte die deutsche Öffentlichkeit seit 2015 fast durchgehend. Die Bombe platzte, als bekannt wurde, dass der Volkswagen Konzern eine illegale Vorrichtung in seinen Autos verbaut hatte, die die Abgaswerte fälschten. Und nachdem Sammelklagen in den USA gegen VW erfolgreich waren, ermöglichte eine rechtliche Neuerung 2018 in Deutschland auch hier sogenannte Musterfestellungsklagen. Damit wurde der Dieselskandal für Anwaltskanzleien auf einen Schlag ungleich wichtiger, als tausende VW-Kunden sich einer Musterfestellungsklage gegen VW anschlossen. Fahrzeugbesitzer mussten vor Gericht ziehen, um ihr Recht zu erhalten. Schlussendlich hat sich VW Ende 2020 mit Zehntausenden Einzelklägern auf Schadenersatz geeinigt. Die Musterfeststellungsklage wurde bereits im April 2020 zurückgenommen, nachdem sich der vzbv und Volkswagen auf einen Vergleich verständigt hatten.

Keine Sammelklage im rechtlichen Sinn

Die massenhaften Klagen gegen Volkswagen mussten anders als im Musterverfahren um den Skandalmotor EA 189 individuell geregelt werden. Im rechtlichen Sinn handelte es sich dabei um Tausende Einzelklagen. Für eine Art Sammelklage nach amerikanischem Vorbild wurde am 1. November 2018 extra ein neues Gesetz erlassen. Damit können sich mehrere Geschädigte vereinen und über einen Verbraucherverband per Musterfeststellungsklage Streitfragen klären lassen. Mindestens zehn Personen sind nötig, um Klage erheben zu können. Melden sich innerhalb von zwei Monaten über das öffentliche Klageregister mindestens 50 weitere Geschädigte, kommt es zu einem Verfahren.

Ganz so klägerfreundlich wie die Bestimmungen in den USA ist das junge Gesetz nicht. Mit dieser Klageform kann lediglich festgestellt werden, ob ein Produkt einen Herstellungsfehler aufweist. Geschädigte müssen ihr Recht im Anschluss an eine erfolgreiche Klage individuell einfordern. Für erfolgversprechende Verfahren rund um den Dieselskandal ist eine Anwaltskanzlei zu wählen, die sich mit der Materie auskennt. Klagen zum neueren Antrieb EA 288, der laut VW keine unzulässige Abschalteinrichtung hat, wurden fast vollständig zugunsten des Autoherstellers entschieden. In 99 Prozent der 1.200 Verfahren gingen die Kläger leer aus. Vergleichsangebote gab es in diesen Fällen nicht.

Urteil zur Musterfeststellungsklage

Hat sich Ihre Meinung zu VW durch den Skandal geändert?

Die von der Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. gegen die Volkswagen AG geführte Musterfeststellungsklage ist mittlerweile beendet. Bereits im April 2020 hatte der vzbv die Klage aufgrund eines Vergleichs zwischen beiden Parteien zurückgenommen. Alle Verbraucher, welche sich für das Verfahren gemeldet und Anspruch hatten, sollen je nach Modell und Alter des betroffenen Autos zwischen 1.350 und 6.257 Euro erhalten. Volkswagen muss damit eine Summe von über 750 Millionen Euro an etwa 240.000 geschädigte Kunden zahlen.

Außerhalb der Musterfeststellungsklage gab es noch mehr als 55.000 Einzelklagen. Mit 25.000 der geprellten Dieselfahrer hat sich VW bis Ende 2020 ebenfalls über einen Vergleich geeinigt. Darüber hinaus sollen noch über 15.000 Kunden Vergleichsangebote vorliegen. Den Schadenersatz für die Diesel-Einzelkläger berechnet der Automobilkonzern individuell. Zu erwarten ist eine Zahlung, welche sich aus dem Kaufpreis abzüglich der Kosten für die durchschnittliche Abnutzung errechnet. Wer sich nicht auf einen Vergleich einlässt, muss das Auto auch bei einer für den Kläger erfolgreichen Verhandlung zurückgeben. Kunden, die sich auf das Vergleichsangebot einlassen, dürfen ihren Pkw behalten.

BGH-Urteile im Dieselskandal

Der Bundesgerichtshof musste im Abgasskandal um Fahrzeugmodelle von Volkswagen schon öfter entscheiden. Das BGH-Urteil vom 25. Mai 2020 fiel für den Kläger sehr positiv aus. Nach Auffliegen der Unstimmigkeiten mit Abgaswerten einiger Dieselmotoren hatte der Besitzer eines VW Sharan mit EA 189-Motor auf Rückgabe des Pkws geklagt und erhielt Recht. Abzüglich einer Erstattung als Nutzungsentschädigung vom Kaufpreis erhält der Kunde voraussichtlich über 25.000 Euro von den investierten 31.500 Euro zurück. Damit hätte der Wagen in sechs Jahren nur ein Sechstel seines Wertes eingebüßt. Nach dem Verfahren reagierte der Konzern prompt und meldete, Klägern eine pauschale Entschädigungszahlung anbieten zu wollen.

In puncto Schadenersatz trotz bereits integriertem Software-Update urteilte der Bundesgerichtshof im Juli vergangenen Jahres. Betroffene Kunden sollen demnach Anspruch auf eine Rückabwicklung des Autokaufs haben. Dabei sei völlig unerheblich, ob der Besitzer des Wagens schon dem Rückruf gefolgt ist und ein Software-Update hat vornehmen lassen. Begründet wurde die Entscheidung der Richter mit der Unwissenheit der Kunden. Da diese beim Kauf keine Kenntnisse über die installierte Betrugssoftware hatten, ist der Anspruch auf eine Rückabwicklung gegeben. Das Software-Update bewirkt keinen Unterschied. Einen Anspruch auf Deliktzinsen haben betrogene Kunden hingegen nicht, da das Auto die ganze Zeit über fahrbereit war.

Das Urteil zum Recht auf Rückabwicklung ist für Vielfahrer nicht unbedingt ein Grund zur Freude, denn einen Anspruch auf pauschalen Schadensersatz gibt es nicht. Da vom ausgegebenen Geld für die motorisierte Mogelpackung eine Nutzungsentschädigung abgezogen wird, kann die Zahlung für das Vehikel am Ende sehr gering ausfallen. Die Entschädigung hängt nämlich von den gefahrenen Kilometern des Wagens ab. Eine Rückgabe lohnt sich für Fahrzeug mit einem Tachostand von über 250.000 Kilometer nicht. Da vom Kläger kein pauschaler Schadensersatz gefordert wurde, hätten die Richter darüber nicht entschieden.

In Bezug auf Nutzungsentschädigungen wird noch ein Urteil vom EuGH erwartet. Einige Kläger sehen in diesem Punkt Europarecht betroffen und den Bundesgerichtshof nicht in der Verantwortung. Neben den Klagen gegen Volkswagen entschied der BGH bereits dreimal über die Befangenheit von Richtern in Verfahren zum Abgasskandal. Laut einem Urteil vom Dezember 2019 ist ein Richter befangen, wenn er sich persönlich der Musterfeststellungsklage gegen VW angeschlossen hat.

Des Weiteren entschied der BGH im Juli 2020, dass eine Befangenheit bereits besteht, wenn sich im Dieselskandal an eine Anwaltskanzlei gewendet wird, um in einem Verfahren gegen Automobilkonzerne die Erfolgsaussichten zu klären. In dem Verfahren ging es um einen Richter vom OLG. Dieser hatte sich wegen seines Mercedes bei einem Anwalt des ADAC über die rechtlichen Möglichkeiten erkundigt. Auch eine eigene Klage von Richtern gegen Volkswagen reicht für das Vorliegen von Befangenheit aus.

Verjährung von Anspruch auf Schadenersatz

Am 18. September 2015 wurde der Öffentlichkeit bekannt gegeben, dass Volkswagen bei seinen Dieselmotoren des Typs EA 189 eine illegale Abschalteinrichtung einsetzt. Kunden, die erst 2019 oder 2020 gegen den Konzern vor Gericht zogen, haben damit ein kleines Problem. Zahlreiche Ansprüche auf Schadenersatz dürften nämlich schon verjährt sein. Laut Gesetz beträgt die Verjährungsfrist drei Jahre. Da der millionenfache Betrug mit fragwürdiger Abgastechnik im Herbst 2015 ans Tageslicht kam und damit den Kunden schon länger bekannt ist, wird ein Vorgehen gegen die Frist vermutlich schwierig. Alle Verbraucher, die noch bis Ende 2018 Klage eingereicht haben, sollten hingegen auf der sicheren Seite sein.

Nach Angaben des Konzerns seien etwa 9.000 Verfahren noch nicht entschieden, bei denen die Klage erst in den Jahren 2019 oder 2020 eingereicht wurde. Der Automobilgigant hat wohl deshalb mit einigen Betrugsversuchen zu kämpfen. Laut Volkswagen sollen vereinzelt Käufer betroffener Fahrzeuge ihre Verträge manipulieren, um von den Regelungen des Mustervergleichs zu profitieren. Etwa zwei Dutzend Mal will der Fahrzeughersteller einen veränderten Kaufzeitpunkt auf dem Papier festgestellt haben. VW ist bestrebt, bei betrügerischen Absichten die zuständige Staatsanwaltschaft hinzuzuziehen. Werden dem Konzern fingierte und rückdatierte Kaufverträge vorgelegt, soll gegen die Personen, welche scheinbar Geld erschleichen wollen, mit Anzeigen vorgegangen werden.